Vitamin D, auch genannt das Sonnenhormon, gilt als wahres Wundermittel unter den Hormonen. Im Internet und den sozialen Medien kursieren Gerüchte, dass Vitamin D Infektionskrankheiten heilen könne und immer wieder wird in Schlagzeilen der ‚allgemeine Vitamin D-Mangel‘ in der Bevölkerung postuliert.
Was ist dran an diesen Gerüchten?
In diesem Artikel findet ihr die wichtigsten Fakten zum Thema Vitamin D. Ihr findet die Antworten auf eure Fragen. Und es sollen einige Mythen aufgeklärt werden, die sich hartnäckig halten.
Was ist Vitamin D eigentlich?
Wieviel Vitamin D braucht mein Kind?
Sollte ich auch nach dem 2. Geburtstag Vitamin D geben?
Wie kann ich eine ausreichende Vitamin D Versorgung für meine Kinder sicherstellen?
Spoiler zuerst: strenggenommen ist Vitamin D gar kein Vitamin, denn Vitamine sind Stoffe, die unser Körper nicht selbst bilden kann. Vitamin D hat eine Sonderposition, denn der Körper kann es – unter der Zuhilfenahme von Sonnenlicht - selbst herstellen. Gleichzeitig kann er Vitamin D mit der Nahrung aufnehmen.
Wofür brauchen wir eigentlich Vitamin D? Vitamin D ist wichtig für den Knochenstoffwechsel, denn es hilft, Calcium und Phosphat aus dem Darm aufzunehmen und als wichtige Substanzen in den Knochen einzubauen. Dementsprechend kann es bei einer Unterversorgung von Vitamin D zu einer mangelnden Knochendichte kommen. Bei Kindern spricht man dann von Rachitis, bei Erwachsenen von Osteomalazie.
Außerdem ist Vitamin D als Hormon an verschiedenen anderen Stoffwechselvorgängen und genetischen Prozessen (Modulation von Stammzellen und des Immunsystems) beteiligt. In Beobachtungsstudien wurde ein Zusammenhang zwischen der Vitamin D-Versorgung und dem Auftreten chronischer Erkrankungen entdeckt. Hierbei ist eines wichtig zu sagen: dies bedeutet lediglich, dass Personen, die mit Vitamin D unterversorgt waren, auch statistisch häufiger chronische Erkrankungen (z.B. Bluthochdruck oder Diabetes mellitus) hatten. Daraus lässt sich nicht schlussfolgern, dass der Vitamin D Mangel auch die Ursache für die Erkrankung ist.
Wie kommt Vitamin D in den Körper und wie kommt es zu der immer wieder benannten ‚schlechten Vitamin D Versorgung‘ in der Bevölkerung?
Unter Idealbedingungen bildet der Körper 80 – 90 % des notwendigen Vitamin D in der Haut mithilfe von Sonnenlicht selbst. Nur der Rest, also ein kleiner Bruchteil, wird über die Nahrung aufgenommen. Das liegt unter anderem daran, dass nur wenige Lebensmittel nennenswerte Mengen an Vitamin D enthalten. Zu den Vitamin D-reichen Nahrungsmitteln gehören: fetter Seefisch, grünes Blattgemüse und Milchprodukte.
Der Knackpunkt ist die Sonneneinstrahlung: nur in den Monaten März bis Oktober ist die Sonne in Deutschland ausreichend ‚stark‘, um dem Körper bei Aufenthalt im Freien genug UV-B-Strahlung zu liefern, die dann die Vitamin D-Herstellung möglich macht.
Säuglinge und Kleinkinder bilden selbst kaum Vitamin D, weil sie weder viel Sonnenexposition erleben (sollen) noch über die Milchnahrung genug Vitamin D aufnehmen können. Das gebildete Vitamin D kann übrigens im Fett- und Muskelgewebe gespeichert werden, um uns auch in den Wintermonaten zu versorgen.
Der moderne Lebenswandel und die geographische Lage Deutschlands führen dennoch dazu, dass ca. 36 % der Kinder Vitamin D-Konzentrationen im Blut haben, die unterhalb des gewünschten Zielbereichs liegen.
Zu wenig Bewegung an der frischen Luft, Sonnenschutzprodukte und lange Kleidung (was ja durchaus sinnvoll ist) und Übergewicht sind einige Faktoren, die die Sonneneinstrahlung und dadurch die körpereigene Vitamin D Herstellung zusätzlich einschränken.
Hat mein Kind einen Vitamin D Mangel?
Von einem Mangel sprechen wir erst, wenn Symptome in Form einer Rachitis auftreten. Diese kann sich durch Muskelkrämpfe, Knochenschmerzen, Verformungen der Wirbelsäule oder Defekten am Zahnschmelz äußern.
In Deutschland ist die Rachitis glücklicherweise sehr selten (geworden) und selbst, wenn Kinder niedrigere als gewünschte Vitamin D Spiegel haben, liegt nicht sofort eine bedrohliche Unterversorgung vor.
Wer ist gefährdet, mit Vitamin D unterversorgt zu sein?
Menschen, die sich kaum bis gar nicht im Freien bewegen (können) oder Menschen, die kulturell-religiös bedingt nur mit bedecktem Körper nach draußen gehen. Außerdem zählen auch Säuglinge zu der Risiko-Gruppe für einen Vitamin D-Mangel, da sie keiner direkten Sonneneinstrahlung ausgesetzt werden sollten. Aus diesem Grund wird in Deutschland regelhaft die Vitamin D-Substitution für Babys und Kleinkinder empfohlen und bereits bei den frühen Kinderuntersuchungen in die Wege geleitet.
Außerdem können Resorptionsstörungen, zum Beispiel bei Menschen mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, Mangelernährung oder die Einnahme bestimmter Medikamente einen Vitamin D Mangel begünstigen. Auch Menschen mit einer dunkleren Hautfarbe, Frühgeborene oder schwangere Frauen sowie voll gestillte Säuglinge gehören zu den Risiko-Gruppen für einen Vitamin D-Mangel.
Wie lauten die Empfehlungen zur Vitamin D Substitution in Deutschland?
Darf ich mein Kind auch über das 2. Lebensjahr hinaus mit Vitamin D versorgen?
Wieso gibt es keine Empfehlungen für Kinder über 2 Jahre, obwohl doch immer wieder die Rede von einem Mangel ist?
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt, Säuglingen und Kleinkindern bis zum 2. erlebten Sommer Vitamin-D zusätzlich zu verabreichen.
Dass es keine Empfehlung für die Vitamin D Substitution nach dem 2. Lebensjahr gibt, liegt an der Studienlage. Derzeit gibt es keine Studien, die belegen, dass die Einnahme von Vitamin D bei älteren Kindern als Prophylaxe eine Verbesserung der Vitamin D-Versorgung und somit einen Mehrwert für die Gesundheit bringen würde. Deshalb wäre es unprofessionell, wenn MedizinerINNEN leichtfertig dazu raten würden. Überdosierungen können erhebliche Nebenwirkungen wie Muskelkrämpfe und Herz-Rhythmus-Störungen haben. Trotz allem bleibt die Annahme gerechtfertigt, dass eine Substitution von Vitamin D nach dem 2. erlebten Winter sinnvoll sein kann und, sofern diese gewissenhaft durchgeführt wird, eher zu einem gesundheitlichen Nutzen als zu Nebenwirkungen führt.
Für die, die es genau wissen wollen, ein kleiner Exkurs:
Zur Bestimmung des Vitamin D Spiegels im Blut wird eine Vorstufe von Vitamin D gemessen, nämlich das 25-Hydroxyvitamin-D, kurz 25(OH)D. Allerdings hat sich gezeigt, dass die Messwerte zu unterschiedlichen Messzeitpunkten stark schwanken können. Außerdem gibt es derzeit noch kein einheitliches Messverfahren. Das schränkt die Vergleichbarkeit unterschiedlicher Messungen und die Verlässlichkeit der gemessenen Werte stark ein und erschwert es, Konsequenzen aus den Messwerten zu ziehen. Auch wichtig: selbst wenn mittels Vitamin D-Messung im Blut ein subnormaler Wert oder ein Mangel gemessen wird, heißt dies noch nicht, dass auch Symptome entstehen.
Wieviel Vitamin D sollte mein Kind zu sich nehmen?
In Deutschland haben sich die Fachkreise auf folgende Empfehlungen verständigt:
Säuglinge: 400-500 IE/Tag.
Kinder ab einem Jahr, Jugendliche, Erwachsene: 600-800 IE/Tag.
Studien haben übrigens gezeigt, dass eine regelmäßige tägliche Einnahme besserer Wirkungen erzielt als die punktuelle hochdosierte Einnahme von Vitamin D. Die Uhrzeit der Einnahme spielt keine Rolle. Vitamin D sollte zu den Mahlzeiten eingenommen und das Präparat sollte lichtgeschützt gelagert werden.
Was hat es mit Vitamin K in Verbindung mit Vitamin D auf sich?
Im Internet kursieren Empfehlungen, Vitamin D immer gekoppelt mit Vitamin K zu sich zu nehmen. Hierfür gibt es keine wissenschaftliche Grundlage. Vitamin K ist vor allem an der Blutgerinnung beteiligt, spielt aber auch eine Rolle im Knochenstoffwechsel. Bei einer gesunden, ausgewogenen Ernährung besteht bei gesunden PatientINNEN kein Risiko für einen Vitamin K Mangel.
Und all die anderen Mythen….? Immer wieder taucht Vitamin D als Allheilmittel gegen Infektionskrankheiten auf. Nicht zuletzt während der Corona Pandemie wurde und wird die Rolle des Vitamin D mal wieder heiß diskutiert. In verschiedenen Studien konnten Zusammenhänge zwischen einer Vitamin D Unterversorgung und schweren Covid-Erkrankungs-Verläufen festgestellt werden. Die kausalen Zusammenhänge sind hier jedoch nicht geklärt. Die Studienlage kann aktuell keine Beweise liefern, die eine allgemeine Empfehlung zur Einnahme von Vitamin D rechtfertigen würden.
Das wichtigste nochmal in Kürze:
- Regelmäßiger Aufenthalt im Freien ist essentiell für die körpereigene Vitamin D-Bildung und wird deshalb täglich empfohlen
- Der Verzehr von Vitamin D-reichen Nahrungsmittel hilft, die Vitamin D-Speicher im Körper zu füllen
- Säuglinge und Kleinkinder benötigen eine zusätzliche Vitamin D Zufuhr mittels Tabletten oder Öl (Darreichungsform ist irrelevant), außerdem sollten Risiko-Gruppen (wie Frühgeborene, chronisch kranke Kinder/Jugendliche oder dunkelhäutige Menschen) eine zusätzliche Vitamin D-Prophylaxe erhalten
- Gesunde Kinder brauchen nach dem 2. erlebten Winter weder zusätzliche Vitamin D-Gaben noch regelmäßigen Vitamin D-Spiegel Kontrollen
Abschließen möchte ich mit folgender Botschaft der deutschen Gesellschaft für Ernährung:
‚Bei ausreichendem Aufenthalt im Freien und entsprechender Sonnenbestrahlung der Haut sowie ausgewogener Ernährung kann eine gute Vitamin D-Versorgung ohne die Einnahme von Vitamin-D-Präparaten erreicht werden.‘
Extra:
MedizinerINNEN orientieren sich an folgenden Grenzwerten:
>100 ng/ml (>250 nmol/l) Intoxikation
20–100 ng/ml (50–250 nmol/l) Zielbereich
12–20 ng/ml (30–50 nmol/l) Subnormal
>12 ng/ml (<30 nmol/l) Mangel
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