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Nächtliches Abstillen

Viele Frauen entwickeln im Laufe der Stillzeit den Wunsch, nachts nicht mehr zu stillen. Darauf folgt die Frage: Wie gehen wir (bedürfnisorientiert) vor?

Denn die meisten Mütter/Eltern ahnen oder haben es vielleicht bereits erlebt, dass ein glückliches Stillkind nicht unbedingt begeistert darauf reagiert, wenn es nachts keine Brust mehr bekommt oder gar mit einer Alternative wie dem Schnuller zufrieden sein soll.



Dieser Artikel liefert praktische Tipps für eine konkrete Vorgehensweise, wenn der Wunsch abzustillen wächst. Die Hinweise und Ratschläge können zwar für Kinder jeden Alters angewendet werden, speziell beziehen sie sich jedoch auf Kleinkinder nach dem 1. Geburtstag. Natürlich ist jede Familie und jede Stillbeziehung individuell und kein Artikel oder Ratgeber dieser Welt kann jede Einzelsituation abdecken.


Warum möchte ein Baby oder Kleinkind nachts stillen?


Für Babys bedeutet Stillen neben Nahrungszufuhr auch Nähe, Geborgenheit, Sicherheit. Mit Einführung der Beikost und noch mehr ab ungefähr dem 1. Geburtstag rückt die Funktion der Kalorienzufuhr oder des Durstlöschens mehr und mehr in den Hintergrund. Unabhängig vom Alter bleibt das Bedürfnis nach körperlicher Nähe, nächtlichem Kuscheln, Saugen, Nuckeln und Beruhigung bestehen.


Wenn ein Baby/Kleinkind nachts abgestillt werden soll, müssen Alternativen gefunden und etabliert werden, die das Stillen ersetzen können und das Baby nachhaltig beruhigen. Stillen bzw. Saugen und Nuckeln gehören zu den angeborenen Reflexen des Babys und werden im Laufe der Zeit zu einer Gewohnheit. Daher ist es verständlich, dass ein Umgewöhnen oder Abgewöhnen nicht innerhalb von einer Nacht erfolgreich vonstatten gehen kann.


Hilfreich im Abstillprozess ist es, ein bisschen genauer auf das Bedürfnis des Babys/Kindes zu blicken, das hinter dem Stillen steht. Natürlich können mehrere Bedürfnisse gleichzeitig bestehen. Durch liebevolle und beständige Begleitung kann ein Baby/Kleinkind lernen, dass seine Bedürfnisse anders als durch Stillen befriedigt werden können. Es lernt dadurch, auch ohne Stillen wieder in den Schlaf zu finden. Es gilt also, das Stillen durch ein alternatives Bindungsangebot zu ersetzen.


Beispiele:


Hunger/Durst: Wasser, Pre-Nahrung, feste Kost.

Nähe/Geborgenheit: Körperkontakt, Kuscheln.

Schmerzen: Tragen/Schaukeln.

Saugbedürfnis: Schnuller, Flasche, Finger.


Bevor der Abstillprozess tatsächlich eingeleitet wird, sollten innerhalb der Familie ein paar Fragen geklärt werden. Denn eins steht fest: ist die Mutter/das Elternpaar nicht fest überzeugt von dem Entschluss abzustillen, wird es nicht funktionieren. Ein Kind spürt diese Unsicherheit, weshalb halbherzige Abstillversuche meist rasch scheitern.


Folgende Fragen können vor allem der Mutter helfen, ihre Entscheidung zu festigen:


- Wie alt ist mein Kind?

- Wie erschöpft bin ich?

- Was kann ich meinem Kind zumuten?

- Was kann ich mir zumuten?

- Wie hoch ist mein Leidensdruck?

- Woher kommt mein Wunsch, abzustillen (intrinsisch z.B. aufgrund von vielen nächtlichen Unterbrechungen, unangenehm, weil Kind schon so groß, gesellschaftlicher Druck? Partner)


Manche Mütter fühlen sich zum Abstillen gedrängt oder werden extern unter Druck gesetzt. Tatsächlich hat Stillen je nach Kultur und Sozialisierung eine ganz unterschiedliche Bedeutung und erfährt mehr oder weniger Akzeptanz.

Das natürliche Abstillalter liegt zwischen 2 und 5 Jahren, die meisten Kinder stillen sich in der 2. Hälfte des 3. Lebensjahres allmählich ganz ohne Druck selbst ab. Bereits dieses Wissen ist für einige Mütter so entlastend, dass sie gerne abwarten, bis das Kind klare Signale sendet, nicht mehr Stillen zu wollen.

Die Entscheidung zum Abstillen ist oft keine einfache, doch sobald sie gefallen ist, ist ein schlechtes Gewissen völlig fehl am Platz und sogar kontraproduktiv.


Neben dem kompletten nächtlichen Abstillen finden viele Frauen zu ruhigeren Nächten, indem sie folgende Teil-Abstill-Modelle wählen:

- Nächtliche Stillpausen mit klar definiertem Zeitraum (4-7 Stunden)

- Weiterhin Einschlafstillen, aber nachts kein weiteres Stillen

- Stillfrei bis morgens (zum Beispiel bis es hell wird)

Hilfreich ist bei allen Modellen, den Kindern eine klare Vorstellung zu geben, wann sie trinken dürfen und wann nicht, hierbei kann zum Beispiel ein Nachtlicht helfen oder eine Uhr mit Symbolen.


Kleine Anleitung zum konkreten Vorgehen:

1) Vorbereitung: Die Entscheidung sollte feststehen. Man kann einen Tag X festlegen, an dem man startet. Idealerweise stehen ansonsten keine großen Veränderungen (Umzug, Kita-Eingewöhnung, Jobwechsel, Urlaub mit Ortswechsel, Abwesenheit eines Partners o.ä. an).

2) Fülle statt Entzug: in der Zeit vor Tag X viel gemeinsame, innige Zeit verbringen. Der Bindungstank soll aufgefüllt werden, damit sich das Kind maximal sicher und geborgen fühlt.

3) Einschlafbrücken einführen, z.B. ein selbst ausgesuchtes Kuscheltier, ein bestimmter Lieblingspyjama, ein Gegenstand, den das Kind mit ins Bett nimmt, Schnuffeltuch. Derartige Ersatz- oder Übergangsobjekte können dem Kind Sicherheit geben und es ist hilfreich, diese in der Vorbereitung aufs Abstillen einzuführen, damit das Kind in der konkreten Situation einen vertrauten Anker hat.

4) Mit dem Kind sprechen und (altersgerecht) von dem Vorhaben berichten. Große Kinder verstehen sowieso schon viel, doch auch Babys spüren und begreifen bereits Vieles.

5) Mentale Vorbereitung für die Eltern: die Entscheidung sollte gut überlegt sein und feststehen. Ein Milchstau ist eine mögliche Komplikation, die man im Hinterkopf behalten sollte. Ältere Geschwister mit darauf vorbereiten, dass vermutlich unruhige Nächte anstehen.


Wie schlimm wird’s wirklich?

Vor allem Babys und Kleinkinder, die lange gestillt wurden und kaum Wege kennen, bei nächtlichem Aufwachen ohne die Brust wieder zur Ruhe zu kommen, protestieren heftig. Jedes Kind reagiert anders, doch es ist durchaus normal, dass Kinder viele Stunden weinen und schreien und sehr verzweifelt wirken.

Aus diesem Grund ist es umso wichtiger, sich in der Entscheidung sicher zu sein. Denn nur dann halten Eltern das Schreien aus und können vernünftig damit umgehen.

Es ist richtig und wichtig, dass das Kind seinen Unmut äußert, durch Weinen, Tritte, Schluchzen, Strampeln… Jedes Kind reagiert anders.

Wichtig ist, so ruhig wie möglich zu bleiben. Jedes Elternteil findet seinen eigenen Weg, mit der Situation umzugehen und das Kind zu begleiten. Manche Kinder möchten keinen Körperkontakt. Das sollte akzeptiert werden. Niemals sollten Kinder mit ihren Gefühlen alleine gelassen werden. Ein Elternteil sollte immer beim Kind sein und Trost spenden. Gut zureden kann helfen, streicheln.

Es ist wichtig, sich den Unterschied zwischen den eigenen Gefühlen und denen des Kindes bewusst zu machen. Das Kind erlebt eine Ausnahmesituation und versteht vielleicht nicht, was passiert. Wir als Eltern sind nicht bedroht und sollten die Kontrolle bewahren. Bleibt geduldig und liebevoll und ruhig. Das ist schwer, aber hilft dem Kind.


Um in der entsprechenden Situation nicht ‚schwach‘ zu werden, helfen manchmal Mantren, wie:

‚Wir haben diese Entscheidung bewusst und überlegt getroffen.‘

‚Wir werden diese Krise überwinden.‘

‚Mein Kind ist geliebt und reif genug, neue Beruhigungsstrategien zu lernen.‘

‚Ich als Mutter achte auf meine Bedürfnisse und wahre meine Grenzen‘.

‚Dein Frust ist in Ordnung. Ich bin bei dir und begleite dich in deiner Wut/Trauer….‘


Ausblick:

In der Regel sind die ersten 3-5 Tage Nächte sehr schlimm und mit Höhen und Tiefen verbunden.

In der darauffolgenden Woche sollte sich klar abzeichnen, dass das Kind langsam akzeptiert und lernt, dass es gute Alternativen zum Stillen gibt.

Nach 2-3 Wochen ist der Prozess meistens abgeschlossen und das Baby endgültig von der Brust abgewöhnt.

In der Zeit danach fragen zwar manche Kleinkinder noch nach der Brust, geben sich aber mit etwas Ablenkung oder körperlicher Nähe ohne Stillen schnell zufrieden.



Quellen: Dettwyler, K. A. (1995). A time to wean: The hominid blueprint for the natural age of weaning in modern human populations. In Stuart-Macadam, P. and Dettwyler, K. A. (Eds.), Breastfeeding: Biocultural perspectives (Seiten 39–73). New York: Aldine de Gruyter.

Yovsi, R. D. and Keller, H. (2003). Breastfeeding. An adaptive process. Ethos, 31(2), 147-171

https://www.kleinesnest.at/post/n%C3%A4chtliches-abstillen-von-kleinkindern-liebevoll-und-bed%C3%BCrfnisorientiert-begleiten

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